Friday 16 November 2012

HÖREMPFEHLUNG 10: Ned Rothenberg solo


Materialklänge

Ned Rothenbergs neues Soloalbum

                                                                                                                   Foto: Ziga Koritnik
CW. Ist Ned Rothenberg ein Außerirdischer? Seine Musik klingt wie aus fernen Galaxien. Um solche Sphärenklänge zu erzeugen, benutzt der New Yorker Ausnahmemusiker jedoch keine Elektronik, sondern eine ganz normale Klarinette, wie es sie schon zu Zeiten Mozarts gab.
Rothenberg kommt aus der New Yorker Downtown-Szene der 80er Jahre, wo er mit John Zorn, Marc Ribot und Bobby Previte gearbeitet hat. Über die Jahre war er mit Gruppen wie den Semantics, seiner Double Band sowie Sync und R.U.B. aktiv, doch im Solospiel liegt seine eigentliche Stärke.
Seit 30 Jahren feilt Rothenberg an einer eigenen Tonsprache, die die sonoren Phänomene musikalisiert, welche in den Materialien schlummern, aus denen die Klarinette gefertigt ist: Vibrationen, Oberton- und Überblaseffekte, Hickser, Spaltklänge, Splittertöne und Verzerrungen.
Diese Materialklänge macht Rothenberg zur Grundlage seines Spiels. Er entwickelt daraus Solostücke, die von großer Stringenz sind und äußerst raffiniert konstruiert. Inspiriert von den Loops der Minimalisten und ausgestattet mit einer makellosen Zirkularatmung sowie einer verblüffenden Technik, bläst Rothenberg kreisförmige Melodien, deren Variationspotential er auslotet. Ungewöhnliche Klänge und Geräusche scheren aus den Melodienschleifen aus, um angereichert mit imaginären Geisternoten eine Überstimme zu bilden, die jedes Solostück zu einer komplexen Komposition macht.
Die neutönerischen Miniaturen wirken so gültig und ausgereift, als entstammen sie einer Jahrhunderte alten Tradition und machen vergessen, dass hier eigentlich ein avantgardistische Klangkosmos zur Entfaltung kommt, so organisch und selbstverständlich klingt die Musik.

Ned Rothenberg: World of Odd Harmonies (Tzadik)

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