Thursday 17 October 2013

JAZZTRENDS: LAUREN NEWTON - Maulwerke


Exzentrische Stimmkunst

Lauren Newton bei den Tübinger Jazz & Klassik-Tagen


cw. Die Amerikanerin Lauren Newton ist die einzige Tübinger Jazzmusikerin von internationalem Rang. Einst machte sie mit ihrer exzentrischen Gesangskunst im Vienna Art Orchestra Furore und war neben Bobby McFerrin eine der Beteiligtem beim Vocal Summit. Daneben ließ sie immer wieder mit eigenen Gruppen und Projekten aufhorchen. Seit die Stimmakrobatin jedoch an der Musikhochschule in Luzern Jazzgesang unterrichtet, hat sie sich auf der Konzertszene rar gemacht. Einen ihrer seltenen Auftritte absolvierte sie jetzt als Heimspiel bei den Tübinger Jazz & Klassik-Tagen und stellte dabei erneut ihre Extraklasse unter Beweis.

Im Trio mit Karoline Höfler am Kontrabass
und dem Rezitator Hartmut Andres stellte Newton eines der Hauptwerke des Dadaismus ins Zentrum ihres Konzerts: die “Ursonate” von Kurt Schwitters - entstanden in den 1920er Jahren. Die Dadaisten waren wilde Gesellen, die die Kunst so radikal zerlegten, dass kein Stein auf dem anderen blieb. Und die “Ursonate”
macht da keine Ausnahme. Es ist ein Lautgedicht, das in einer Fantasiesprache gehalten ist, also neuerfundene Wortgebilde und Satzkonstruktionen ohne Sinn in expressiv-poetischer Manier verbindet. Mit Verve trug Hartmut Andres den Originaltext von Kurt Schwitters vor, der in seiner Radikalität heute noch verblüfft, während Newton und Höfler darauf mit kurzen Improvisationseinwürfen antworteten.

Angeregt durch die Exzentrik des Ausgangsmaterials ließ Newton sich zu vokalistischen Höhenflügen inspirieren. Sie zog alle Register der Gesangskunst und lotete den Rachenraum als Experimentierlabor für ihre “Maulwerke” aus. Zwischen opernhaftem Koloraturgesang und jazzmäßiger Scat-Vokalistik war da von röcheln, hecheln und stöhnen bis zu grunzen, glucksen und zischen alles an archaischen Urlauten zu vernehmen. Karoline Höfner unterlegte das Ganze mit nicht minder ausgefallenen Kontrabassklängen, die etwa dadurch erzeugt wurden, dass die Stuttgarter Bassvirtuosin Wäscheklammern an die Saiten klemmte, die sie vibrieren und schnarren ließ.

Im zweiten Teil des ausverkauften Konzerts, das im SWR-Studio auf dem Tübinger Österberg stattfand, knüpften die drei nahtlos an Kurt Schwitters Klassiker an. Eigene Stücken kamen nun zur Aufführung, die nicht weniger ausgefallen wirkten und Elemente von konkreter Poesie à la Ernst Jandl mit kreativen Jazzexperimenten kombinierten. Obwohl diese Welt aus Klängen, Lauten und Geräuschen oft nicht einfach zu verdauen war, gerieten die musikalischen Darbietungen dennoch manchmal so witzig, skurril und vergnügt, das die Zuhörer in spontanes Gelächter ausbrachen und die Künstler nicht ohne Zugabe von der Bühne ließen.

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