Saturday 20 June 2015

IRMLER & LIEBEZEIT in Glasgow



Irmler & Liebezeit auf UK-Tour

                                                                                                                                                                    Fotos: C. Wagner

Am 14. Juni habe ich in Glasgow ein Konzert von Jaki Liebezeit und Hans-Joachim Irtmler besucht! Wenn sich schon einmal ein paar deutsche Musiker nach Schottland verirren, und dann auch noch so interessante Freigeister (und Freunde) wie die beiden, empfand ich es fast schon als Pflicht, dabei zu sein und nahm dafür auch die weite Anfahrt in Kauf. Das Kulturzentrum Platform - etwas außerhalb der Stadt gelegen - bildete die Austragungsstätte: ein Funktionsbau mit quadratischen Saal und Bücherei. Es war dann doch erstaunlich, wieviele Konzertbesucher sich dort einfanden. Das Konzert war mit schätzungsweise 350 Zuhörern nahezu ausverkauft. Nach einem sehr passablen Vorprogramm, versetzten die beiden Deutschen das Publikum in Verzückung und ließen keinen Moment irgendwelche Nostalgie aufkommen. Irmler brillierte mit Wolken galaktischer Sounds, die er über den fließenden Trommelrhythmen von Jaki Liebezeit ausbreitete. Die Stimmung im Publikum war prima. Viele glühten vor Begeisterung. Als Veranstalter des Gigs wirkte Alun Woodward, den ich - wie mir erst ein paar Tage später dämmerte - vor Jahren einmal in Glasgow als Mitglied der Delgados interviewt hatte. Ich traf dann die ganze Crew am nächsten Morgen zum Branch, zu dem sich auch Mogwai-Drummer Martin Bulloch einfand. Dann ging es mit dem Bus weiter via einem Besuch bei der BBC in Salford/Manchester nach London, wo am nächsten Abend im Cafe Oto ein Konzert auf dem Programm stand - seit Wochen ausverkauft.




Friday 19 June 2015

Eis- und Glasmusik: Terje Isungset

Töne aus Eis und Glas

Der Norweger Terje Isungset experimentiert mit ungewöhnlichem Klangmaterial


 cw. Eigentlich ist er Schlagzeuger. Trommelrhythmen sind sein Metier. Doch irgendwann schienen dem Norweger Terje Isungset (Jahrgang 1964) die herkömmlichen Schlaginstrumente ausgereizt. Er schaute sich nach Alternativen um. Zuerst baute er Perkussionsinstrumente aus Granit, Schiefer und Holz, bevor ihm bei der Aufführung einer Auftragskomposition für die norwegischen Wintersport-Meisterschaften in Lillehammer im Jahr 2000 ein Licht aufging. Das Konzert sollte in einem gefrorenen Wasserfall stattfinden, wobei Isungset bemerkte, dass Eis einen “fantastisch schönen Klang” besitzt. Der Norweger fing an, mit dem kalten Medium zu experimentieren und stellte im darauffolgenden Winter ein ganz spezielles Instrumentarium zusammen: Eis-Xylophone, Eistrommeln und Klangspiele aus Eis. Isungset hatte das ideale Klangmaterial für den arktischen Winter entdeckt.

In einem Iglu in Schweden wurde noch im gleichen Jahr das erste Album (Titel: Iceman is) mit dem gefrorenen Instrumentarium eingespielt – eine Weltpremiere! Im Januar 2006 half der Schlagwerker dann mit, im kleinen norwegischen Wintersportort Geilo zwischen Oslo und Bergen das erste Eismusikfestival der Welt auf die Beine zu stellen. Bei Temperaturen weit unter null wird dort seither jedes Jahr in Grotten, eigens dafür erstellten Iglus sowie unter freiem Himmel Musik auf speziell gefertigten Klangerzeugern aus Eis gemacht. Die Musiker treten dabei in wattierten Skianzügen, Pelzmützen und dicken Handschuhen auf und im Publikum ist so manches heißere Schnäuzen und Husten zu vernehmen. Manche Ider nstrumente, ob Eishörner, Eistrompeten oder Eisharfen, werden oft erst ein paar Stunden vor Konzertbeginn mit Motorsägen aus riesigen Eisblöcken gesägt und dann mit Stecheisen ausgehöhlt und modelliert, andere werden im Gefrierwagon angeliefert. Im Januar dieses Jahres fand das “Ice Music Festival” in Geilo zum 10. Mal statt.

Allerdings hat das gefrorene Instrumentarium einen offensichtlichen Nachteil: Es schmilzt! Das verhindert, dass man darauf kontinuierlich üben und die Musik weiterentwickeln kann. Für Terje Isungset war das auf Dauer keine befriedigende Situation. Der Trommler dachte über einen Ersatz für den Sommer nach. Er schaute sich nach einem anderen Klangmaterial um und stieß auf Glas. Mit Hilfe von Glaskunstbläsern und Studenten einer Glasfachschule konstruierte Isungset ein eigenes Instrumentarium: durchsichtige Glas-Marimbas, zerbrechliche Glas-Xylophone und Glasspiele.

Im Trompeter und Vokalisten Arve Henriksen gewann er einen Geistesverwandten und exzellenten Bläser für das Projekt. Henriksen, der als hochkarätiger Jazzmusiker bekannt ist und beim Münchner ECM-Label Platten veröffentlicht­­­­­­, ließ sich ebenfalls verschiedene Hörner und Digeridoos aus Glas fertigen, denen er die urtümlichsten Melodien entlockt.

 

Zusammen erzeugen die beiden eine erstaunliche Klangwelt, die sich aus eigentümlichen Tönen und Geräuschen zusammensetzt. Sie lassen Wasser in Vasen tropfen und gläserne Klangschalen wohlig summen. Glasglockenspiele klingen hell auf und ein Horn tönt wie ein Jagdsignal aus grauer Vorzeit. Dazu kommt ein archaischer Gesang, der mit Guturallauten und Obertönen an schamanistische Ritualbeschwörungen erinnert. Die beiden Norweger begeben sich auf eine Reise, die sie in bislang unbekannte Klangregionen führt. Als Hörer sollte man auf Abenteuer gefaßt sein.


Terje Isungset / Arve Henriksen: World of Glass (Ice Records)